Die Geschichte
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Der Duft von frisch gebackenen Waffeln liegt in der Luft. Die Eisdiele füllt sich mit sommerlichen Stimmen. Lotte richtet eine Waffel gerade und lächelt den Touristen vor ihr an. Hinter der Theke hängt ein Schild: Zuverlässigkeit ist Gold wert. Ehrlich gesagt hatte sie darüber nie groß nachgedacht. Heute klingen diese Worte schwerer.
Beim Abschließen schaut Herr Vermeer sie an. „Morgen um zehn wieder“, sagt er. Lotte nickt. „Ja, ich bin da.“ Sie meint es ernst. Sie liebt diese Arbeit, den Rhythmus und die Ruhe nach der Schule. Auf dem Heimweg vibriert ihr Handy. Nova schreibt über einen Festival-Job: gute Bezahlung, Backstage-Pass, freies Essen. *Du musst mitkommen*, schreibt sie. Lottes Herz schlägt schneller.
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Sie liest die Nachrichten noch einmal. *Zu brav*, schreibt Finn später. Lotte spürt einen Stich. Etwas in ihr will zeigen, dass sie spontan sein kann – frei, ein bisschen impulsiv. Gleichzeitig wächst ein Dilemma: Mit den Freunden gehen oder zu ihrem Wort stehen. Herz oder Kopf. Spaß oder Versprechen.
Zuhause setzt sie sich neben ihre Mutter aufs Sofa, die gerade liest. „Du siehst aus, als würdest du mit dir selbst streiten“, sagt ihre Mutter. Lotte erzählt von Nova und Finn und dem Festival. Sie habe zugesagt zu arbeiten. „Ist ein Tag fehlen wirklich so schlimm?“
Ihre Mutter legt das Buch beiseite. „Weißt du, was ein Versprechen ist?“ Lotte zuckt mit den Schultern. „Etwas, das man sagt, vielleicht?“ „Es ist mehr als Worte“, antwortet die Mutter. „Ein Versprechen ist eine Übereinstimmung zwischen dem, was du sagst, und dem, was du tust. Wenn du es brichst, bricht auch etwas in dir – nicht nur beim anderen.“ Lotte schaut auf den Boden. „Aber jeder sagt doch mal ab“, murmelt sie. „Dann kannst du zeigen, dass du nicht jeder bist“, sagt ihre Mutter ruhig.
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Am nächsten Morgen ist es voller als sonst. Die Sonne lässt das Eis in der Vitrine glitzern, und die Glocke über der Tür klingelt ununterbrochen. Herr Vermeer läuft erschöpft hin und her. „Danke, dass du gekommen bist“, sagt er. „Zwei andere haben abgesagt.“ Lotte spürt ein warmes Gefühl in sich aufsteigen. Es ist Würde – nicht, weil jemand zusieht, sondern weil sie weiß, dass sie das Richtige getan hat.
Auf dem Fahrrad nach Hause hört sie das Dröhnen des Festivals in der Ferne. Es klingt verlockend, aber auch fern und leer. Ihre Hände riechen nach Vanille und Zucker. Der Wind ist kühl und klar. Zuhause schreibt sie in ihr Notizbuch: *Treue bedeutet, das zu wählen, was bleibt – nicht das, was lockt.* Sie schließt die Augen und spürt Frieden.